Performances, Erstaufführung 2010
Ricardo de Paula and Grupo Oito

  

ÜBER DIE PERFORMANCE

"Bitte schön – das Menü."
"Danke!"
"Haben Sie schon entschieden, welches Stück Sie kaufen möchten?"
"Ich schwanke zwischen ´Caballera´ und ´Get physical process´. Ich möchte das schnellere."
"Dann empfehle ich Ihnen ´Get physical process´."
"Gut. Wie viel kostet es?"
"Ein Euro."

Nicht nur zu kaufen, sondern auch noch von der Speisekarte: 20 verschiedene Solos, Duos oder kleinere Szenen mit bis zu vier Tänzern. Das Prinzip ist einfach: jeder, der bezahlt hat, kann in ein Zelt eintreten, wo er sehen kann, wofür er bezahlt hat. Die restlichen Zuschauer warten draußen. Beide befinden sich in einem öffentlichen Raum - im Mauerpark, Prenzlauerberg, Berlin.

DANCE FOR SALE besetzt den Zwischenraum zwischen "privat" und "öffentlich", zwischen der Logik des Staates und dieser des Marktes. Wo ist der Tanz angesiedelt? Wer entscheidet, was gezeigt wird? Welche Bühnen muss ein Stück durchlaufen haben, bevor es wahrgenommen wird?

Das Projekt wirft nicht nur Fragen auf. Es wurde aus dem Versuch geboren, eine (temporäre) Lösung zu finden. Das Projekt REGISTER von Ricardo de Paula und Grupo Oito sollte aus öffentlichen Mitteln finanziert werden. Jedoch wurde das Budget vom Bezirksamt Pankow und Prenzlauerberg gekürzt, so dass viele kleine Projekte wie REGISTER nicht gefördert werden konnten. Aus der Not, andere Wege zu finden und um "die show am Laufen zu halten", sah sich Grupo Oito mit der Frage konfrontiert "Was kostet ein Tanz?".

Ohne Förderung, ohne die Unterstützung einer Institution, ohne die Vermittlung eines Produzenten entschied sich Grupo Oito, unmittelbar für und mit dem Publikum zu produzieren. Produkt und Prozess sind miteinander verwoben so wie Künstler und Zuschauer. Das Ziel ist, die ästhetische Erfahrung jedes einzelnen gezeigten Stückes, auszuloten.

DANCE FOR SALE ist ein Manifest: Kunst machen ist gleich Politik machen. Das Weitertanzen, trotz der gegenwärtigen Kulturpolitik, und die Verweigerung alles stillschweigend hinzunehmen, ist ein Appell des Künstlers.

DANCE FOR SALE ist "work in progress". Das Zelt steht für einen institutionell unabhängigen Platz. Ohne die staatliche Unterstützung, welche das Recht des Einzelnen am Kulturleben teilzunehmen garantieren könnte, hat Grupo Oito nicht aufgegeben und realisierte die Show. Die Zuschauer im Park sind beides - Bürger, mit dem Recht an Kultur zu partizipieren, und zugleich Kunden, die frei entscheiden, was sie sehen wollen. DANCE FOR SALE lenkt die Aufmerksamkeit auf die (unbefriedigenden) Antworten des Marktes, der den Tanz als Ware behandelt, oder der Politik, die willkürliche Entscheidungen über den Tanz trifft.

Die Künstler tanzen, wofür sie bezahlt werden. In Krisenzeiten sinken die Preise für Tanz bis auf einen Euro: Das Tanzen wird nicht nur zum Kauf angeboten sondern zum Ausverkauf. Jetzt geht es ums Überleben. Das eingenommene Geld bei Dance for Sale war nicht viel. Dennoch war es Grupo Oito wichtig, ein politisches Statement abzugeben, und sich in dieser empfindlichen Situation zu präsentieren. Wie lange und mit welcher Bedeutung kann diese Arbeit fortgesetzt werden? Die Antwort ist unbekannt. Das einzig Sichere ist das Gefühl, dass "the show must go on" – mit oder ohne Hilfe der Politik.
 

PRÄSENTATIONSORTE

2015 Nairobi (Kenia)
2015 Ballhaus Naunynstraße, Berlin
2014 Ballhaus Naunynstraße, Berlin
2011 Istambul (Türkei)
2010 Ballhaus Naunynstraße, Berlin
2010 Lille (Frankreich)
2010 Mauerpark, Berlin
 

MEHR INFORMATION

Pechakucha von Johanna Mantel
Ballhaus Nanynstraße